Am 9. Mai 2022 hatten wir die Gelegenheit, mit Elena Zhukova zu sprechen, die Mitbegründerin von OKR Poland und Senior Strategic Business Analyst bei Lufthansa Systems ist. In dem Interview gab Elena uns viele Einblicke in ihre Arbeit als OKR-Coach und verriet uns viele Tipps und Tricks, wie der Übergang zu ergebnisorientierter Arbeit reibungsloser ablaufen kann und wie du deinen Umsetzungsprozess zu einem Erfolg machst.
Workpath:
Mit Objectives und Key Results (OKRs) zu arbeiten bedeutet, ergebnisorientiert zu arbeiten. Elena, wie definierst du die Outcomes mit deinen Kunden?
Elena:
“Viele Unternehmen konzentrieren sich auf Lösungen, Features und Maßnahmen. Der Transformationsprozess beginnt bei der Planung von Aufgaben, welche auf Grundlage der Outcome Goals erstellt werden.
Meist beginnen wir mit der Überprüfung von Vision und Strategie.
Die Strategie muss Bereiche abdecken wie:
- Märkte
- Kundensegmente
- Produkte
- Alleinstellungsmerkmal (USP)
- Ziele und Metriken
- zu verfolgende Politik
Wenn die Strategie unklar ist und Lücken aufweist, müssen diese Lücken gefüllt werden.
Anschließend suchen wir nach Hypothesen, die der Kunde im Laufe des Jahres und des Quartals überprüfen möchte, und leiten daraus ergebnisorientierte OKRs ab. Wenn es ein Problem mit der Hypothese gibt, suchen wir nach den wichtigsten Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht. Fragen wie 'warum, welchen Wert, welches Problem zu lösen' helfen uns, das richtige Ergebnis zu finden.
Manchmal ist es hilfreich, mit Metriken (Key Results) zu beginnen und dann daraus Ziele abzuleiten.
Im Idealfall, wenn ein Unternehmen:
- eine hochwertige Strategie hat,
- die Produktziele ergebnisorientiert definiert,
- die Dinge misst und seine Entscheidungen auf Daten und Forschungsergebnisse stützt,
dann ist es nur eine Frage der Auswahl der wichtigsten OKR für den gegebenen Zeitraum. Allerdings kommt diese ideale Situation nur selten vor. Letztendlich geht es um das Geschäft und die Erzielung von Unternehmenszielen, also geht es darum, sie richtig zu benennen und festzulegen.”
Workpath:
Was ist deiner Meinung nach der Vorteil von Outcome-orientiertem Arbeiten verglichen mit Output-orientiertem Arbeiten? / Welchen Rat würdest du einem Kunden geben, der eher Output-orientiert arbeitet?
Elena:
“Vorab: Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand nicht bereit ist, mir zuzuhören, werde ich nicht versuchen, ihn oder sie zu überzeugen. Ich glaube, dass es keine Chance auf Veränderung gibt, wenn keine Bereitschaft zur Verbesserung vorhanden ist.
Ich glaube an Daten und den richtigen Zeitpunkt für Selbstentwicklung und Reflexion.
Wenn mein Kunde bereit ist, sich zu ändern, versuche ich, ihn dazu zu bringen, darüber nachzudenken, wie er einen Mehrwert für seine Kunden schafft.
Wenn wir zum Beispiel über eine bestimmte Funktion sprechen, stelle ich meinem Kunden die folgenden Fragen:
- Welches Problem willst du mit der Bereitstellung dieser Funktion lösen?
- Woran wirst du merken, dass sich die Situation verbessert, wenn der User die neue Option nutzt?
- Welchen Nutzen bringt diese Änderung?
Solche Fragen helfen dabei, zum Outcome Thinking überzugehen.
Die Arbeit mit Outcomes hilft einer Organisation, Prioritäten zu setzen, Backlog-Cross-Checks durchzuführen, widersprüchliche Anforderungen zu identifizieren und unnötige Verschwendung zu vermeiden. Wenn ein Unternehmen Funktionen liefert, die die Kunden nie nutzen werden, erzeugt es Outcome-Waste.
Outcome Thinking ist ein Werkzeug, das hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Gerne rate ich meinen Kunden Folgendes:
Wenn Value Thinking für dein Unternehmen überwältigend erscheint, konzentriere dich darauf, das eigentliche Problem (des Kunden) herauszufinden, und starte an diesem Punkt. Die Entwicklung wertvoller Produkte ist der Schlüssel zum Erfolg.
Value Thinking hilft Ihnen, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Dir sollte bewusst sein, dass die Nicht-Berücksichtigung der Herausforderungen und Probleme deiner Kunden dazu führen wird, dass diese früher oder später zur Konkurrenz wechseln.”
Workpath:
Während des Alignment-Prozesses, ist Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg. Wie kommunizierst du Unternehmens-Outcomes, damit sie von sämtlichen Mitarbeitern auf unterschiedenen Unternehmensebenen verstanden werden und jedem klar ist, inwiefern deren tägliche Arbeit zum Unternehmenserfolg beiträgt?
Elena:
“Die Kommunikation hängt stark von der Größe des Unternehmens und seiner OKR-Struktur ab. Es gibt einige Bereiche, in denen kontinuierliche Kommunikation unabdingbar ist.
- Erstens ist es von entscheidender Bedeutung, so viel wie möglich auf C-Ebene zu kommunizieren, und zwar nicht nur einmal im Jahr: Man sollte die Unternehmensvision (und -strategie) besprechen, um das "Warum" zu erklären und Daten darüber zu liefern, wo das Unternehmen jetzt steht und wohin es gehen soll (zukünftiger Zustand).
Diese Informationen sollten für alle zugänglich und leicht verständlich sein und mit den Initiativen abgeglichen werden können.
Es empfiehlt sich, vierteljährlich Fragestunden für die Teams zu organisieren, um Fragen entsprechend klären zu können.
- Zweitens: Führungskräfte, Change Agents, Scrum Master usw. sollten sich zusammensetzen und in den Prozess involviert sein, damit sie gemeinsam verhandeln, Feedback einholen und sich engagieren können.
- Drittens sollten alle Teammitglieder in die OKR-Erstellung einbezogen werden, damit sie die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen, und gemeinsam OKRs erstellen können.
Für mehr Transparenz kann ich die Verwendung eines geeigneten OKR-Dashboards empfehlen. Dies ermöglicht die gemeinsame Nutzung von Daten und Metriken im gesamten Unternehmen. Ein weiterer Bereich ist der Austausch von Ergebnissen und Learnings aus Überprüfungen und Check-ins zwischen allen Ebenen der Organisation.
Kommunikation sollte zur Gewohnheit werden, und als Teil der Unternehmens-DNA gesehen werden. Kommunikation ist kein einmaliges Ereignis. Es kann immer mehr Kommunikation geben.
Inspiriert wurde ich von Patrick Lencionis Buch ‘The Four Obsessions of an Extraordinary Executive.’”
Workpath:
Die OKR Methode ist ein effektives Tool, um Teams zu ergebnisorientiertem Arbeiten zu motivieren. Allerdings kann die tatsächliche Umsetzung von OKRs sehr anspruchsvoll sein.
Welche Challenges hast du in Bezug auf Execution bereits bei deinen Kunden erlebt?
Elena:
“Es gibt eine Vielzahl von Herausforderungen. Ich werde nur einige nennen, die mir zuerst in den Sinn gekommen sind. Herausforderungen hängen von der Art, der Größe, dem Führungsstil, dem Reifegrad und dem Grad der Agilität der Organisation ab.
- In vielen Unternehmen habe ich Situationen erlebt, in denen Führungskräfte bestimmte Schwächen aufweisen. Diese Schwachstellen können sich im im Zweifel 1:1 auf die Teams ausweiten. Wenn beispielsweise Führungskräfte Probleme mit klarer Kommunikation haben, wird die Kommunikation bei der Umsetzung der OKRs für das gesamte Unternehmen eine große Herausforderung sein. In einer solchen Ausgangslage, wird sich dieser Konflikt auf jeder Ebene des Unternehmens und der Ziele selbst widerspiegeln. Führungskräften, die Kontrolle lieben und das Delegieren fürchten, fällt es meist schwerer, OKRs umzusetzen und den Teams Entscheidungspunkte zu geben. Einer der Ausgangspunkte zur Lösung dieser Probleme ist die Benennung von Dingen, z. B. könnte ein Gallup-Stärkenprofil-Test hilfreich sein, um mit der Arbeit an den blinden Flecken der Führungskräfte zu beginnen.
- Die zweitgrößte Herausforderung besteht darin, dass im Unternehmen keine Daten vorhanden sind bzw. verwendet werden, um Entscheidungen zu treffen, und dass die Dinge nicht gemessen werden, so dass es anfangs schwierig sein wird, messbare OKRs einzuführen.
- Eine weitere große Herausforderung besteht darin, von der Definition von Silo-Zielen zu teamübergreifenden OKRs überzugehen.
- Zudem sind viele Unternehmen recht ungeduldig, wenn sie mit der Implementierung von OKRs starten. Die Einführung von OKRs bedeutet auch neue Gewohnheiten, und man kann keine neue Arbeitsweise einführen, ohne sich Zeit zu nehmen. Die OKR-Implementierung braucht ein paar Iterationen.
- Letztlich fehlt es den Retrospective Meetings meist an Qualität. Mit der richtigen Führungskraft, die eine Retrospektive wirklich tiefgreifend und wertvoll macht, kann man lernen und sich verbessern.”
Workpath:
Wie stellst du sicher, dass die Teams fokussiert arbeiten, sodass sie ihre Ziele und Outcomes auch wirklich erreichen?
Elena:
“Focus on what really matters (konzentriere dich auf das, was wirklich wichtig ist). Klingt einfach, aber was ich hier betonen möchte, ist, dass man versuchen sollte, die Anzahl der Ziele zu reduzieren und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die wirklich wichtig für den Erfolg des Unternehmens sind.
Aus Erfahrung weiß ich, dass die meisten Engpässe dadurch entstehen, dass die Mitarbeiter zu viele Ziele zugewiesen bekommen. Das passiert, wenn die Kapazitätsplanung nicht richtig durchgeführt wird. Deshalb sollte sichergestellt werden, dass die Kapazitäten der Teams wöchentlich oder zumindest einmal im Monat überprüft werden.
Zudem könnte man zwischen der "normalen Geschäftstätigkeit" und der Strategiearbeit trennen und zu Beginn vereinbaren, wie viel Kapazität die Teams für diese beiden unterschiedlichen Arten von Aufgaben haben. Bei BAU (business-as-usual) Aufgaben ist es sehr hilfreich, Gesundheitsmetriken einzurichten.
Weniger Ziele und eine sorgfältige Planung sind sehr hilfreich, ebenso wie regelmäßige Überprüfungen und die Behandlung von Risiken.
Und auch hier sollten die Teams tiefgreifende Retrospektiven durchführen und ihre Schlussfolgerungen selbst ziehen.”
Workpath: Hast du noch weitere Tipps für Unternehmen, die Probleme bei der Umsetzung (Execution) von OKRs haben?
Elena:
“Konzentriere dich darauf, die richtigen Dinge zu messen. Sei näher am Kunden: Verstehe, was die Bedürfnisse und Probleme deiner Kunden sind und welche Probleme dein Produkt oder deine Dienstleistung lösen kann (Problem-Solution-Fit).
Wachse als Führungskraft.
Intern sollten Teams und Mitarbeiter ausreichend über alle Unternehmensprozesse informiert sein. Macht euch Gedanken über eure grundlegenden Ziele und überlegte, was euer Wertversprechen ist. Probiert euch aus. Die OKR Implementierung ist ein Prozess und eine Reise und erfordert eine Menge Geduld.
Löse ein Problem nach dem anderen und habe Spaß an der Sache: breche Regeln, wenn nötig.
Und, zu guter Letzt: Versuche nicht, perfekt zu sein. Folge nicht blind den Regeln anderer. Was bei anderen funktioniert hat, funktioniert nicht auch zwangsweise für dein Unternehmen. Nutzen die Erfahrung und Learnings anderer, aber denke stets daran, dass jeder Unternehmenskontext anders ist! Es gibt keine Regeln für OKRs. Nur gute Praxis!
Fange klein und schrittweise an, warten nicht, bis alles ideal ist. Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt, um mit OKRs zu starten.”