Interview Fragen Prof. Dr. Justus Haucap
Prof. Dr. Justus Haucap ist Direktor des Institute for Competition Economics in Düsseldorf sowie Herausgeber der Fachzeitschrift “Perspektiven der Wirtschaftspolitik”. Er war zuvor von 2006 bis 2014 Mitglied und von 2008 bis 2012 Vorstand der Monopolkommission, welche die Bundesregierung in Fragen der Wettbewerbspolitik und Marktregulierung berät. Justus Haucap ist seit 2015 Mitglied des Wissenschaftlichen Arbeitskreises für Regulierungsfragen (WAR). In seiner Forschung fokussiert er sich auf die Bereiche Wettbewerbspolitik, Marktregulierung und Industrieökonomie.
Im Interview mit Workpath spricht Justus Haucap über die Wichtigkeit des Emissionshandels für den Klimawandel und welche konkreten Ziele und Ergebnisse die Politik formulieren sollten, um ihre übergeordneten Klimazielen zu erreichen.
Hallo Herr Haucap, 2019 veröffentlichten Sie ihr Gutachten zum Emissionshandel im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Was hat sich hier in den letzten drei Jahren getan? Was nicht und woran liegt das?
Das Wichtigste am EU-Emissionshandelssystem (EU EHS) ist im Grunde nicht der Handel an sich, sondern der Emissions-Deckel, es ist ja ein sog. „Cap and Trade“-System. Das heißt die Menge der möglichen Treibhausgasemissionen wird klar begrenzt. Problematisch ist vor allem, dass nach wie vor nicht alle Sektoren erfasst sind, insbesondere fehlen der Autoverkehr, die Landwirtschaft und das Thema Heizen. Für diese Bereiche haben wir bisher keine vergleichbar strikte Begrenzung der Treibhausgasemissionen in der EU.
Die Bundesregierung hat zwar mit dem Klimapaket im Dezember 2019 mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) zusätzlich ein nationales Emissionshandelssystem (nEHS) für Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin und Diesel geschaffen und für diese Energieträger CO2-Preise eingeführt. Eine echte quantitative Begrenzung der Emissionen soll es hier aber erst ab 2027 geben. Zudem sind die CO2-Preise im EU EHS deutlich über den CO2-Preisen im nEHS, welche im BEHG festgelegt sind.
Warum halten Sie den Emissionshandel als ein wichtiges Instrument gegen den Klimawandel? Was muss eine neue Bundesregierung anders machen, um hier erfolgreich zu sein?
Wenn man ehrlich ist, weiß keiner genau, wo es am einfachsten und am günstigsten ist, CO2 einzusparen. Der Emissionshandel hat den Vorteil, dass man das auch gar nicht wissen muss. Durch den einheitlichen CO2-Preis werden alle die Produzenten CO2 einsparen, für die der CO2-Ausstoß zu teuer wird und klimafreundliche Technologien konkurrenzfähig werden, sei es bei der Stahlproduktion, bei der Stromerzeugung oder bei der Zementherstellung.
Wichtig ist ja, dass wir für jeden Euro, den wir für Klimaschutz ausgeben, möglichst viel CO2 einsparen. Denn so bitter es ist: Nicht nur die natürlichen Ressourcen sind begrenzt, sondern auch die finanziellen.
Der Emissionshandel übernimmt diese Lenkungsfunktion und sorgt dafür, dass dort CO2 eingespart wird, wo das am günstigsten ist. Umgekehrt heißt das: Für jeden Euro bekommt mal die maximale CO2-Einsparungsmenge. Wichtig ist aber, dass möglichst alle Branchen, die CO2 ausstoßen, auch unter den Deckel des EU ETS fallen.
Die nächste Bundesregierung sollte die Systeme verzahnen. Weil heute der CO2-Preis im EU EHS viel höher ist al bei uns national, sind die Anreize, CO2 einzusparen, im EU EHS auch viel stärker als national. Das ist sowohl volkswirtschaftlich als auch klimapolitisch nicht sinnvoll.
Welche weiteren Instrumente können Deutschland hier helfen, Klimaziele wie bspw. die Senkung der Emissionen um 55% gegenüber 1990 zu erreichen?
Wir müssen viel, viel stärker als bisher auf Innovationen setzen. So bitter es ist: Auch wenn wir in Deutschland klimaneutral sind, reicht das noch lange nicht. China stößt inzwischen mehr CO2 aus als alle anderen Industrienationen zusammen und der CO2-Ausstoß soll dort zumindest bis 2030 auch weiter steigen. Um China stärker zum Mitmachen beim Klimaschutz zu bewegen, benötigen wir klimafreundliche Technologien, die zugleich exportfähig und bezahlbar sind.
Wir müssen viel mehr Ressourcen darein stecken, klimafreundliche Technologien zu fördern, die noch keine Marktreife haben. Das Aufstellen weiterer Windräder bei uns ist dagegen wirklich zweitrangig, der Kern werden klimafreundliche Technologien im Verkehr, in der Stahlerzeugung und in anderen industriellen Bereichen sein, die auch in China und anderen Teilen der Welt verwendet werden können. Dies müssen wir viel mehr fördern.
Welche Ziele muss sich die neue Regierung Ihrer Meinung nach setzen, um hier schnell voranzukommen?
Wir dürfen nicht nur auf lokale oder nationale CO2-Einsparungsziele schauen. Das mag auch wichtig sein, aber wir sollten auch gucken, welche Technologien wir wie weit vorangetrieben haben. Ist grüner Wasserstoff international konkurrenzfähig? Setzen sich E-Autos auch international durch? Das sind wichtige Kriterien.
Gibt es konkrete Metriken auf die wir schauen sollten, die uns helfen können zu verstehen, wie gut wir vorankommen?
Ich würde sehr raten, die nationale Brille abzusetzen und wenigstens in Europa zu versuchen an einem Strang zu ziehen. Wenn man ganz rational vorgehen würde, wäre es vermutlich sehr sinnvoll, Polen und andere osteuropäische Mitgliedsstaaten auch ruhig finanziell sehr substanziell zu unterstützen, um aus der Kohle auszusteigen. Ein Euro, der dort in den Klimaschutz investiert wird, dürfte deutlich mehr C02 einsparen als ein Euro, der bei uns investiert wird.
Welchen Rat würden Sie der neuen Regierung als Experte geben?
Nehmt das Thema Innovation endlich ernst. Macht dies zum Kern der Klimapolitik!