Bart den Haak ist Berater für Lean Software Development. Er hilft seinen Kunden und deren Teams mehr und überlegenere Wertschöpfung zu betreiben, unter anderem durch besseres Alignment von strategischen Objectives und Key Results. Für das Workpath Magazin erklärt Bart wie OKR die Lücke zwischen Strategie und agilen Teams schließen können, um Mitarbeitermotivation und -leistung zu steigern und welche Rolle Organisationsstrukturen und -kultur hierbei spielen.
Bei der Agilia Budapest 2017 hast du über die fehlende Verbindung zwischen Unternehmensstrategie und agilen Teams gesprochen. Wie können OKRs diese Lücke schließen?
Jedes Unternehmen sollte eine Mission haben. Es sollte einen Grund geben warum das Unternehmen existiert. Verbunden mit dieser Mission, sollte es eine Vision geben. Ein Weltbild davon, wie man die Zukunft in den nächsten 5 Jahren sieht. Die Unternehmensstrategie definiert dann die Prioritäten der Unternehmensführung bezüglich der Verwirklichung der Vision oder Teile dieser auf eine jährlichen Basis.
Basierend auf meinen Fallstudien, habe ich oftmals festgestellt, dass Letzteres fehlt: eine solide jährliche Unternehmensstrategie. Ohne eine solche kannst Du weder klare Objectives für ein Jahr noch für ein Quartal erstellen. Mit einer Strategie hingegen, können Objectives optimal dafür genutzt werden, die Strategie auf ein Quartal oder einen Monat herunterzubrechen. Dieser Ansatz ist sehr bekannt unter gängigen Management Praktiken wie MBO oder Balanced Scorecard, für welche Ziele dazu verwendet werden, die jährliche Strategie zu erreichen. Das sagt allerdings nichts darüber aus, wie man zu diesem Punkt gelangt.
OKRs verbinden die Unternehmensziele (was) mit den Key Results (wie). Genau das ist die fehlende Verbindung.
Aktuell kämpfen viele agile/DevOps Teams damit ihren “Sinn” zu finden, ihre Sprint-Ziele zu definieren oder ihren Einfluss auf und in der Organisation zu sehen. Fokus, Verantwortlichkeiten und Alignment sind häufig nicht vorhanden. Das liegt daran, dass deren Tagesgeschäft often nicht mit den (often vage formulierten) jährlichen oder vierteljährlichen Objectives verbunden werden kann. Hier passen OKRs wunderbar ins Gefüge. Sie verbinden die Unternehmensziele (was) mit den Key Results (wie). Die Teams können ihre Key Results beeinflussen, indem sie Epics und Stories erstellen, welche sie näher zu deren Erreichung bringen. Genau das ist die fehlende Verbindung. Durch dieses Alignment entsteht Fokus, Transparenz, Verantwortlichkeit und gesteigertes Mitarbeiterengagement in den Teams.
Welche Rolle spielt Organisationskultur hier?
Basierend auf einem Modell von Dr. Ron Westrum gibt es 3 verschiedene Organisationskulturen: pathologische (machtorientiert), bürokratische und generative (leistungsorientiert). Wenn du OKRs zum ersten Mal einführen möchtest, haben generative Kulturen die besten Chancen zur Adoption. Unternehmen mit einer bürokratischen Kultur können das “Experiment OKRs” starten, aber es wird deutlich länger brauchen, bis Akzeptanz erreicht wird. Wenn es richtig durchgeführt wird, kann die Einführung von OKRs die bürokratische Kultur sogar zu einer generativen verändern. Wenn eine Organisation eine pathologische Kultur hat, werden OKRs nicht funktionieren. Hier muss zuerst eine Vertrauenskultur aufgebaut werden, bevor überhaupt irgendein Zielsetzungsinstrument funktionieren kann. Daher sollten Unternehmen erst ein Analyse bezüglich der Firmenkultur durchzuführen, bevor OKRs oder ein ähnliche Instrument eingeführt werden.
Müssen sich Organisationsstrukturen ändern, wenn Unternehmen OKRs einführen? Wie sieht es mit der Funktion und Verantwortung von Führungskräften aus?
Ich habe gesehen, wie OKRs in Matrixorganisationen wie Spotify gedeihen können oder in flachen Strukturen wie beispielsweise in Soziokratien bei Holocracy. Es kann jedoch genauso gut in traditionellen Strukturen funktionieren. Es könnte solchen Strukturen sogar nützlich sein, da OKRs mit Transparenz, Verantwortlichkeit und Engagement helfen.
Teams sollten Führungskräften ihre OKRs liefern.
Unabhängig vom Organisationsmodell müssen Führungskräfte Rahmenbedingungen für ihre Teams schaffen. In einer traditionellen Organisation wird es dann wahrscheinlich mehr von diesen geben. Das hat wieder mit der Organisationskultur und dem entsprechenden Level an Vertrauen zu tun. OKRs sind das perfekte Instrument für Führungskräfte, um Rahmenbedingungen und Ziele in solchen Organisationen zu setzen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass auch ein Bottom Up Ansatz verfolgt wird: Teams sollten Führungskräften ihre OKRs liefern. Diese sollten dann von den Führungskräften mit einbezogen werden, wenn sie die OKRs für das nächste Quartal setzen.
Wie können agile Zusammenarbeit und agiles Planen lehren? Ist es genug Teams einfach ausreichend Autonomie zu geben?
Einige Teams sind hinsichtlich ihrer Agilität schon weiter entwickelt als andere. Basierend auf diesem Entwicklungsgrad der Agilität können Führungskräfte diesen Teams mehr oder weniger Autonomie geben. Den Teams zu viel Autonomie zu geben, kann sie in die falsche Richtung führen. Nicht genug Autonomie, kann zu Demotivation und weniger verantwortungsbewussten Teams führen. Es ist essentiell Teams mit der Unternehmensstrategie zu koordinieren. OKRs können bei dieser Koordination von Unternehmenszielen und Teamzielen helfen. Mit einer regelmäßigen Iteration zwischen Evaluieren und Setzen von OKRs kann Kollaboration zwischen Teams entstehen. Teams sollten in der Lage sein, ihre Arbeit anhand ihrer OKRs zu planen.
Was ist anders, wenn OKRs im Kontext von Software Development verwendet werden? Was hast Du hierbei an Erkenntnissen gewonnen?
Die meisten OKR Implementierungen, in welche ich involviert war, hatten mit Software Development zu tun. Dort habe ich festgestellt, dass die wenigsten Teams ihre Ergebnisse auf einem Team Level messen. Und bei denjenigen, die es machen, sind die entsprechenden Key Results immer noch sehr auf Meilensteinen basiert (Produkt X ist live) und mit Inzidenzen oder Requirements-/Planungstools wie z.B. Jira oder Service Now verbunden. OKRs helfen dabei, die Arbeit herunterzubrechen und Schritt für Schritt Wertschöpfung zu betreiben.
What gets measured is what you get.
Ich glaube im Software-Gebiet können wir einen großen Schritt in Richtung mehr datengetriebener Arbeit machen. In Marketing und Sales Abteilungen ist das sehr üblich. Als Berater helfe ich Software Teams häufig dabei, Metriken zu definieren, die sie dafür nutzen können, die Wertschöpfung für das Unternehmen zu messen. Aber es bleibt eine Kunst, die Metriken zu finden, welche am wichtigsten für das jeweilige Team sind. “What gets measured is what you get”.
Wie können OKRs dabei helfen high-performance Teams hervorzubringen? Was brauchen wir neben OKRs und was darüber hinaus?
Um high-performance Teams hervorzubringen sind OKRs essentiell! Oftmals werden diese jedoch nicht eingesetzt. Wenn sie jedoch im Einsatz sind, werden Teams fokussierter und ergebnisorientierter. Wenn Teams ergebnisorientiert sind, werden sie alles tun, um das System zu optimieren, dass den eigentlichen Wert schafft. Um das System zu optimieren werden Teams Prinzipien und Techniken von Lean Management anwenden (die Basis hinter DevOps).
Es kommt auf eine Sache an: Disziplin!
Wie mit jedem Framework (Scrum, XP, OKRs) kommt es auf eine Sache an: Disziplin. Wenn Teams und Einzelpersonen die Disziplin haben, Ziele zu setzen und diese in einer regelmäßigen Kadenz zu evaluieren, wird das ihnen unheimlich helfen. Ist das nicht der Fall, wird man oftmals scheitern und das Framework dafür verantwortlich machen: “OKRs funktionieren nicht für mich.”
In jeder Organisation gibt es die Zweifler und Skeptiker - manchmal mit begründeten Bedenken. Wo lassen sich die Vorteile von OKRs am besten sehen, sodass man diese Gruppen überzeugen kann?
Es gibt eine weiche Seite bei OKRs (die Objectives sind qualitativ und inspirierend), welche viele als unangenehm oder vage wahrnehmen. Das ist das gleiche mit Agilität beispielsweise. Oftmals behaupten Leute “wir sind agile, da wir Scrum implementiert haben” oder da sie “OKRs für Zielsetzung verwenden”. Das ganze sollte aber ein Mindset sein. Eine andere Denkweise. Wenn diese Frameworks scheitert, wird often das System verantwortlich gemacht. Aber es liegt häufig an der Disziplin, diese Frameworks erfolgreich zu machen.
OKRs haben auch eine harte oder wissenschaftliche Seite, nämlich die Key Results. Basierend auf Fakten und Daten. Die meisten Kritiker auf die ich getroffen bin, mochten diesen Aspekt sehr gerne, Metriken zu nutzen, um Ergebnisse und Erfolg voranzutreiben.