Dies ist ein Gastbeitrag von Sven Franke in unserem Whitepaper "Pay for Performance 2.0". Das gesamte Whitepaper gibt es hier zum Download.
Wer an New Work denkt darf vor dem Thema Vergütung kein Stoppschild setzen, sondern muss auch New Pay Aspekte diskutieren
Die Arbeitswelt verändert sich immer schneller. Die Treiber dieser Veränderung sind Globalisierung, Digitalisierung und Technologisierung und nicht zuletzt eine zunehmende Vielfalt der Gesellschaft. Besonders die gesellschaftlichen Veränderungen führen zu anderen bzw. neuen Kundenerwartungen. Um diese Erwartungen zu erfüllen müssen sich Organisationen zunehmend verändern. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass Unternehmen, die auf Basis der klassischen Aufbauorganisation organisiert sind, nicht mehr in der Lage sind schnell genug auf diese Veränderungen und Erwartungen Antworten zu finden.
Auf Basis der Diskussion um New Work oder Arbeiten 4.0 versuchen immer mehr Unternehmen eine Antwort auf die kommenden Herausforderungen zu finden. Dabei wächst die Erkenntnis, dass man alles Bekannte hinterfragen muss. Besonders betrifft das die Themen Führung und Macht, denn die neuen Schlüsselfaktoren für den Erfolg sind Partizipation, Kollaboration und Kooperation.
Auch die gesellschaftliche Entwicklung fordert Unternehmen zunehmend. Hier sei nur das Beispiel Individualisierung der Gesellschaft genannt. Wir waren über Jahrzehnte gewohnt, dass ein starkes Wir ein Gegensatz zur Ich-Bezogenheit der Individualisierung ist. Was wir jetzt aber zunehmend feststellen ist, dass vielmehr ein sowohl als auch möglich ist und dies keinen Gegensatz mehr darstellt. Und die Gedanken um New Work fördern diese Wahrnehmung zunehmend.
Unternehmen wollen immer mehr den Querdenker, der auch seine Ideen kraftvoll mit dem Blick aufs Ganze platziert bzw. umsetzt. Sicherlich könnte man an dieser Stelle noch weitere Beispiele nennen, die belegen, dass wir die Welt von richtig und falsch immer mehr verlassen und es sinnvoller ist, Lösungen zu finden, die ein sowohl als auch ermöglichen. Was bedeutet das nun alles für die Vergütung?
Zukunftsgewandte Vergütung oder auch New Pay
Vor allem, dass eine zukunftsgewandte Vergütung all diese angesprochenen Aspekte berücksichtigt. Für Unternehmen ergibt sich die Herausforderung ein stimmiges Modell für die eigene Organisation zu erarbeiten. All diese Bemühungen fassen wir (Stefanie Hornung, Nadine Nobile und ich) unter dem Kunstbegriff „New Pay“ zusammen, den wir vor mehr als einem Jahr in einer gemeinsamen Diskussion kreiert haben.Doch was heißt das konkret für den Bereich Vergütung? Um mehr darüber zu erfahren, haben wir im Herbst 2017 eine Blogparade gestartet. Wie sehr wir dabei den Nerv der Zeit getroffen haben, zeigte sich sehr schnell. Innerhalb von sechs Wochen steuerten 50 Autorinnen und Autoren über 55 Beiträge bei. Das für uns Spannende waren die vielfältigen Sichten auf die Wertedimensionen der neuen Gehaltsfindung. Sie reichten vom persönlichen Umgang mit dem eigenen Gehalt bis hin zu ganz individuellen Regelungen in Organisationen.
Um was gehts?
Inhaltlich ging es unter anderem um agile Zielsetzungssysteme, die Abkehr von Bonuszahlungen, Lohngerechtigkeit, Transparenz, nicht monetäre Entlohnungsformen wie Zeit, Sinn und Weiterbildung, Verteilungsgerechtigkeit, die Tabuisierung von Gehaltsrückschritten und um den Zusammenhang zwischen Bezahlung und Macht. Sie sehen an diesen Beispielen, dass das Thema vielschichtiger ist als man auf den ersten Blick vielleicht denkt. Trotz der thematischen Vielfalt zeichneten sich einige Schwerpunkte ab.Außer der Präferenzverschiebung vom Gehalt hin zu mehr Freizeit und Selbstbestimmung gehörten dazu insbesondere auch die kritische Reflexion sogenannter leistungsgerechter Vergütungsmodelle und die Forderung nach mehr Transparenz beim Thema Vergütung. Boni, Incentives und die leistungsgerechte Vergütung zahlen in der Art und Weise, wie sie heute vielfältig praktiziert werden, demnach selten auf den Unternehmenserfolg ein.
Die Anreize sind zu oft nach Schema F gedacht und bieten wenig Raum für agile Anpassungen. Sicherlich könnte man an dieser Stelle zum Thema Boni und Zielvereinbarungen noch länger und ausschweifender diskutieren. Ich möchte aber nochmal zum Gesamtblick auf das Thema Vergütung zurückkehren. Bezahlung ist, und das vergessen einige Unternehmen gelegentlich, ein Werkzeug der Kulturarbeit und ein Signal für die Mitarbeiter, was in der Organisation belohnt wird und was eben auch nicht. Wird in Ihrer Organisation querdenken und unternehmerisches Handeln belohnt? Oder doch eher die Anwesenheit?
Die wichtigsten Aspekte von New Pay
Lassen Sie uns nun noch einen Blick auf New Pay insgesamt werfen. Wir haben in den letzten Monaten aus unserer Blogparade und den vielfältigen Interviews für unser Buch New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle, die aus unserer Sicht wichtigen Aspekte herausgearbeitet:
- Partizipation: Mitarbeiter gestalten das Modell der Gehaltsfindung mit
- Neues Leistungsverständnis: alternative Anreize ersetzen starre Boni
- Hierarchieunabhängige Gehaltsmodelle: Führung wird neu bewertet
- Selbstbestimmung: das eigene Gehalt lässt sich mitbestimmen
- Gehältertransparenz: offene Prozesse und/oder Gehaltssummen
- Fairness: Organisation definiert für sich, was „gerechte Vergütung“ bedeutet
- Zeit ist Geld: Freizeit und Flexibilität gehören zum Entgelt
- Scheitern als Option: Gehaltsmodell ist permanent Beta und offen für Veränderung
New-Pay Praxisbeispiele:
Augenhöhe-Modell bei Elobau
Elobau ist ein familiengeführtes Stiftungsunternehmen mit weltweit 950 Beschäftigten, das Sensorik für den Maschinenbau und Fahrzeugsysteme für die Nutzfahrzeugbranche herstellt. Hauptsitz des Unternehmens ist Leutkirch im Allgäu. Schlechte Werte bei der Mitarbeiterbefragung führten dazu, das Gehaltsmodell in der Produktion zu überdenken. Auf Betreiben der Geschäftsführung wurde ein agiles Projekt aufgesetzt, um mit den Mitarbeitern eine neue Lösung zu erarbeiten. In diversen Teams aus 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Hierarchieebenen wurde zunächst hierarchiefreies Arbeiten eingeübt.
Im weiteren Prozess, bei dem ein Kernteam von 14 Leuten die tragende Rolle hatten, ging es mittels Design Thinking und Prototyping darum, laufend Feedback einzuholen und konsensfähige Vorschläge zu erarbeiten.Das so entwickelte neue Vergütungssystem wurde bei Elobau Anfang 2017 mit mehr als 96 Prozent Zustimmung eingeführt. Kernelemente sind Grundgehalt, ein FMK-Anteil (Bewertung von Füreinander, Miteinander und Kundenorientierung), eine Prämie für Qualität und Liefertreue sowie eine Jahreserfolgsprämie.
Wahlmodell der Deutsche Bahn auf der Tarifabschluss 2016
Die Deutsche Bahn muss man wohl nicht im Detail vorstellen. Nur so viel: das Verkehrsunternehmen hat weltweit 320.000 Mitarbeiter. Allein in Deutschland beschäftigt die Deutsche Bahn 198.000 Mitarbeiter mit steigender Tendenz. Als Vorbereitung auf die Tarifrunde 2016 hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die sich als Mitmachgewerkschaft versteht, ihre Mitglieder nach den Erwartungen an den Tarifabschluss 2016 gefragt. Als Ergebnis kam kein einheitliches Bild heraus.Um nicht ein Teil der Mitglieder zu enttäuschen war man gezwungen in den Tarifverhandlungen neue Wege zu gehen und sich von alten Glaubenssätzen zu lösen. Als Ergebnis entstand ein, zu dem Zeitpunkt, einmaliges Wahlmodell. Jeder Mitarbeiter erhielt die Möglichkeit individuell aus 3 Varianten zu wählen:
Variante 1: Lohnerhöhung 2,62%oderVariante 2: Reduzierung der Wochenarbeitszeit um eine StundeoderVariante 3: 6 Tage mehr Urlaub
Was hätten Sie genommen? Bei der DB haben sich annähernd 60% für die Urlaubstage entschieden. Inzwischen hat die IG Metall auch ein ähnliches Wahlmodell eingeführt.
Fazit: Wir werden bei dem Gesamtthema Vergütung viel mehr Vielfalt erleben. Ähnlich wie wir es jetzt schon bei den Organisationsmodellen tun. Und ja, New Pay, alternative Vergütungsmodelle, die auf die individuellen Ansprüche und Bedarfe der Mitarbeiterschaft ausgerichtet sind, werden überall entstehen – egal ob im Konzern oder Mittelstand – und somit auch ein Wettbewerbsvorteil am Bewerbermarkt sein.
Ein Ausschnitt des Whitepapers "Pay for Performance 2.0". Das gesamte Whitepaper gibt es hier zum Download.