okr-framework

OKR nach dem Baukastenprinzip – ein Praktikeransatz, um gute OKRs zu schreiben

Inhaltsverzeichnis

Doreen Baseler arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei der SAP SE als Product Expert mit umfassender Produkt- und Projektmanagement-Erfahrung in den Bereichen Supply Chain und Manufacturing sowie SAP Solution Manager und SAP Customizing-Methoden und Tools.

Ihr Aufgabenschwerpunkte liegen heute insbesondere im Portfolio Management der Customer Influence-Kanäle für SAP S/4HANA Cloud und im Coaching unterschiedlicher Unternehmensbereiche. Hierzu zählt die Aktivität als Design Thinking Coach und OKR Coach. Als OKR Program Manager fokussiert sie aktuell darauf, OKRs in der  SAP S/4HANA Produktmanagement-Organisation zu etablieren.

Für OKRs gibt es zahlreiche gute Vorlagen für Objectives und Key Results. Aber wie kommst du als OKR Coach mit deinen Teilnehmern genau dorthin, wo du hin möchtest? Wie kannst du deine Teilnehmer bestmöglich auf dem Weg zur Zieldefinition unterstützen? „OKRs nach dem Baukastenprinzip“ ist eine einfache Strategie, mit der du gezielt zu qualitativ guten bis sehr guten OKRs kommen kannst.

OKRs nach dem Baukastenprinzip - Die Entstehung

Kommt dir folgendes Szenario mit OKR-Einsteigern bekannt vor? Wenn es darum geht, die Objectives oder Key Results zu formulieren, wird ambitioniert diskutiert und gestikuliert. Die Teilnehmer brennen geradezu für das Thema, bringen einen Aspekt nach dem anderen hervor und – Worst case! - tendieren dazu, den Fokus zu verlieren. Der OKR Workshop endet in 30 min - und zu Papier gebracht ist noch kein einziges Wort.

Oder das Gegenteil ist der Fall: Die Teilnehmer sind schlichtweg überfordert. Viele Sachverhalte sind bei der OKR-Definition zu berücksichtigen, wie übergeordnete Organisationsziele, unvollendete Ziele des letzten Quartals oder neue Schwerpunktthemen. All das noch konzentriert, abstrahiert und motivierend auf den Punkt zu bringen, ist in der Tat eine Herausforderung. Die Diskussion verläuft verhalten und außer einer paar Stichpunkten steht am Workshop-Ende nichts auf dem realen oder virtuellen Blatt Papier, was auch nur annähernd nach OKR aussieht.

Bereits nach meinem ersten OKR-Workshop als Coach war mir klar: Nicht jeder Teilnehmer ist ein geborener Autor oder Redakteur. Und das ist vollkommen in Ordnung. Was den Teilnehmern fehlt: eine klare Anleitung WIE sie zu den Objectives und Key Results gelangen. So entwickelte ich für meinen nächsten Workshop zwei Vorlagen, um Objectives und Key Results möglichst effektiv und effizient zu definieren.

OKRs nach dem Baukastenprinzip setzt im OKR Goal- oder Review-Workshop nach dem Brainstorming an, d.h., Themen für die zu definierenden Ziele wurden bereits grob umrissen. Der Baukasten orientiert sich an den zentralen Fragen guter OKRs.

  • Objective: Welche Nutzen generieren wir für welchen Kunden?
  • Key Result: Wie messen wir das zu erreichende Ziel mit einem anvisierten Ergebnis?

Gute Objectives für OKRs definieren – So geht’s

Beginnen wir mit den Objectives: Nachfolgend ein Baukasten, den ich gern anwende, wenn die Diskussion nicht fokussiert ist oder schleppend verläuft. Und so geht’s:

1. Bitte als erstes die Teilnehmer, anhand des Baukastens das Ziel in seine einzelnen Bestandteile herunterzubrechen.

2. Lass die Teilnehmer sich jeweils nur auf einen Teilaspekt fokussieren, z.B. wer ist der Kunde? Benenne – abhängig vom Ziel – Alternativen für das Wort „Kunde“. Ist das Ziel ein mitarbeiterbezogenes Ziel, dann ist der “Kunde” in diesem Fall der „Mitarbeiter“. Lass die Teilnehmer ihr Verständnis vom „Kunden“ aufführen und – wichtig! – aufschreiben. Möglicherweise kristallisiert sich ein unterschiedliches Verständnis heraus, wer der Kunde ist: Alle Kunden eines Produktes? Oder doch nur die im Sweet Spot? Endanwender oder Business User?

3. Danach fragst du die Teilnehmer, was mit dem Ziel erreicht werden soll, z.B. zentrale Geschäftsprozesse automatisieren, Kundenanforderungen aus unterschiedlichen Schwerpunktthemen stärker in das Produkt-Portfolio einfließen lassen, ein neues Produkt auf den Markt bringen, Kunden vermitteln, wie sie das Produkt nutzen sollen usw.

4. Als nächstes lotest du mit den Teilnehmern den Nutzen aus, den das Produkt für den Kunden bieten soll und lässt auch diese Aspekte stichpunktartig listen wie: schnellere und fehlerfreie Geschäftsabwicklung, einfachere Bedienung des Produktes, erhöhte Kundenzufriedenheit, Kosteneinsparung usw. Um Ideen sprudeln zu lassen, kannst du auch das Gegenteil fragen, so z.B. “Was entgeht dem Kunden, wenn wir dieses Ziel nicht angehen? Welchen Nutzen hätte der Kunde dann nicht?” Die so entstehenden Punkte lassen sich wieder in einen Nutzen übersetzen.

Idealerweise haben die Teilnehmer nun Stichpunkte zu allen drei Punkten (1) bis (3) gelistet:

OKR-Baukasten für Objectives
OKR-Baukasten für Objectives

5. Im nächsten Schritt prüfst du mit den Teilnehmern, ob die Aspekte kompatibel sind und Begriffe synonym gebraucht werden. Somit deckst du auf, ob die Teilnehmer möglicherweise doch unterschiedliche Inhalte diskutiert haben. Diese versuchst du nun, mit ein paar Leitfragen einzugrenzen: “Adressieren wir alle Kunden oder nur die Kunden ausgewählter Industrien bzw. Sweet Spots?” “Was bedeutet Sweet Spot für dich?” Diese Fragen sind relevant, denn sie stellen auf eine unterschiedliche Kundenbasis ab.

6. Nachdem nun das gemeinsame Verständnis vertieft wurde, kommt der Kern des Baukastenprinzips zum Tragen: Stichpunkte aus (1) + (2) + (3) werden zu einem ersten, meist etwas holprigen und überfrachteten Satz zusammengesetzt. Tipp: Ermuntere ruhig einen Teilnehmer, dies zu tun und drücke ihm oder ihr den Stift in die Hand oder bitte jemanden im virtuellen Meetingraum, einen ersten Entwurf zu schreiben.

7. Dann gehst du mit den Teilnehmern in die nächste Iteration und reduzierst den Satz auf seine wesentlichen Aspekte, die es zu erreichen gilt. Es ist nicht wichtig, jeden einzelnen Nutzen herauszustellen. Zielführende Fragen sind z.B. “Welcher ist der primäre Nutzen?” Vermittle den Teilnehmern, dass Details zur Zielerreichung ohnehin über Key Results abgebildet werden und ihre Ideen somit nicht “verloren” sind. Das entschärft die Situation und führt oft zu einer schnellen Einigung in der Gruppe.

Manchmal hilft es auch, der Baukasten-Vorlage ein Beispiel hinzuzufügen. Finale Objectives im Produktmanagement könnten somit wie folgt aussehen:

  • DIMENSION PRODUKT/KUNDE:
    Provide easy-to-use sales order processing app (was?) to our sweet spot customers (für wen?) to run their daily order processes more efficiently (welcher Mehrwert?)
  • DIMENSION MITARBEITER:
    Our Product Managers (was?) are equipped with the right skill set (für wen?) to successfully drive our Cloud product strategy (welcher Mehrwert?)

Gute Key Results für OKRs definieren – So geht’s

Stehen die Objectives, dann ist der Rahmen für die Key Results geschaffen. Die Teilnehmer tun sich zumeist leichter damit: „Wir arbeiten ja schon ewig mit KPIs“, ist oft ihre erste Reaktion. Nur, dass diese nicht zwingend den Key Results entsprechen, da KPIs als Erfolgskennzahlen und nachlaufende Indikatoren primär das Ergebnis in den Vordergrund rücken, OKRs jedoch den Weg dorthin aufzeigen. So lassen sich aus übergreifenden Unternehmenskennzahlen oder KPIs entsprechende OKRs ableiten. Eine scharfe Trennung von KPIs und Key Results ist in der Praxis nicht immer gegeben. Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, nicht in eine akademische Diskussion abzugleiten (KPIs vs. OKRs oder Output vs. Outcome). Ob etwas richtig oder falsch ist, ist oft eine Frage der Perspektive und des Kontexts. Letztlich ist das Definieren von OKRs ein Lernprozess, sowohl auf Seiten des Teams als auch auf Seiten des Coaches. Zudem ist es immer möglich, über eine Retrospektive Verbesserungspotenzial aufzuspüren und im nächsten Quartal umzusetzen.

Auch sollte man sich vergegenwärtigen, dass nicht jeder Unternehmensbereich gleichermaßen Einfluss auf alle betrieblichen Kenngrößen hat. So hat ein Produktmanager durch das Managen des Produktportfolios direkten Einfluss auf die Abdeckung gewünschter Funktionen und damit auch auf die Nutzung eines Produktes und die Kundenzufriedenheit, möglicherweise aber nicht zwingend eine direkten Einfluss auf die Verkaufszahlen, da dies der Vertriebsorganisation obliegt. An diesem Beispiel sieht man jedoch sehr gut das Potenzial, das OKRs zur Unternehmenssteuerung entfalten können, wenn man sie über Abteilungsgrenzen hinaus anwendet.

Um Key Results nach dem Baukastenprinzip zu definieren, gehst du wie folgt vor:

1. Spanne eine Matrix auf. Auf der einen Seite lässt du die Teilnehmer das angestrebte Ergebnis für das kommende Quartal listen (1). Auf der anderen Seite definieren sie, wie das entsprechende Ergebnis messen möchten (2).

2. Erkläre den Teilnehmern vorab das Prinzip, nach welchem sie Key Results möglichst greifbar gestalten können:

  • Erste Wahl sind absolute Werte, Prozentzahlen, monetäre Werte und wie sich diese z.B. im Vergleich zum Ausgangswert oder zum vorherigen Quartal verändern sollen. Dieses Vorgehen ermöglicht eine Abstufung der Zielerreichung.
  • Manche Ziele sind noch nicht so „durchgereift“ oder ermöglichen es nicht ohne weiteres, sie direkt mit messbaren Kriterien zu verbinden. Häufig trifft dies auf taktische Ziele zu, welche direkt an der Unternehmensvision oder strategischen Zielen anknüpfen. Hier wären Meilensteine das Mittel der Wahl. Im nächsten OKR-Zyklus darf man aber auch diese Ziele durchaus infrage stellen.
  • Möglichst zu vermeiden sind binäre Key Results, denn für diese lässt sich kein Fortschritt im OKR-Zyklus darstellen. Wird das Ziel nicht erreicht, kann man es im Zweifelsfall nur auf „Nicht erreicht“ setzen. Teilerfolge von 30, 50 oder gar 70% können nicht transparent dokumentiert werden.

3. Lass die Teilnehmer nun mögliche Outcomes listen und wie sie diese messen möchten. Diese Aufgabe kannst du direkt in der Gruppe durchführen – oder zunächst als Silent Brainstorming mit nachgelagerter Vorstellung der Ergebnisse durch die Teilnehmer.

4. Danach lässt du die Teilnehmer wieder beide Aspekte zum finalen Key Result zusammensetzen. Aus Qualitätsgründen solltest du darauf achten, die Anzahl der Key Results zu begrenzen. Hier gilt das Prinzip: Weniger und fokussiert ist mehr! Dies ist aus meiner Erfahrung besonders wichtig in der Anfangsphase der OKR-Einführung: Viele Team sind zunächst überambitioniert und möchten deutlich mehr Objectives und Key Results definieren. Später stellen sie fest, dass sich übernommen haben und die Ziele nicht in dem erforderlichen Maß erreichen können. Bestehe auf die 5 x 5-Regel - maximal 5 Objectives mit maximal 5 Key Results pro Objective - um spätere „OKR-Rückbau-Aktionen“ gezielt zu vermeiden.

Der Baukasten für Key Results
Der Baukasten für Key Results

Tipp: Visualisiere den Teilnehmern in einer Checkliste auf dem virtuellen oder physischen Whiteboard, wodurch sich gute Key Results auszeichnen. Es hilft, wenn sie diese oder vergleichbare Kriterien direkt zur Hand haben:

Icon Geschenk

Detailliert das Key Result das Objective hinreichend genug mit einem definierten Ergebnis? Oder stellt es doch das Ergebnis einer Aktivität dar?

OKR Baukasten

Lässt sich das zu Erreichende auch wirklich messen?1. Wahl: numerische / prozentuale / monetäre Key Results2. Wahl: Key Results mit MilestonesZu vermeiden: binäre Key Results

OKR Baukasten

Können die Teammitglieder das Key Result über die gewählte Metrik beeinflussen?

OKR Baukasten

Können Teammitglieder über die gewählte Metrik kontinuierlich Feedback geben?

OKR Baukasten

Ist das Key Result ambitioniert gesetzt, aber dennoch realistisch zu erreichen?

Hinweis: Ein bestmöglich definiertes, messbares Key Result mit Output-Charakter ist immer noch besser als ein schlecht messbares binäres.

Finale Key Results zu einem Objective könnten aus Sicht eines Produktmanagers beispielsweise so aussehen:

  • DIMENSION PRODUKT/KUNDE
    Provide easy-to-use sales order processing app (was?) to our sweet spot customers (für wen?) to run their daily order processes more efficiently (welcher Mehrwert?)

    - KR: Sales order app delivered to 200 customers
    - KR: Sales order app actively used by 30 customers
    - KR: Five reference customers identified willing to promote the sales order app
  • DIMENSION MITARBEITER
    Our Product Managers (was?) are equipped with the right skill set (für went?) to successfully drive our Cloud product strategy (welcher Mehrwert?)

    - KR: 50 new hires trained in the area of "PM Fundamentals"
    - KR: Product portfolio prioritized to cover 10 - 20 % of all requests related to sales order processing app

Der OKR-Baukasten - Zusammenfassung

Gut vorbereitet gehst du als OKR Coach entspannter in den Workshop und kannst zugleich den Teilnehmern die notwendige Hilfestellung mit an die Hand geben. Hier setzen die oben genannten Baupläne für OKRs an. Die Teilnehmer zerlegen die zu definierenden Objektives und Key Results zunächst in ihre Kernbestandteile, sammeln hierzu Ideen und fügen diese wie LEGO-Bausteine wieder zusammen. Über eine weitere Iteration erfolgt der Feinschliff der Objectives und Key Results. Die Methode OKRs nach dem Baukastenprinzip eignet sich vor allem für neue Coaches und Teams, aber auch für erfahrene Teams, die ohne Coach in einer Kleingruppe ihre OKRs definieren.