Im Zuge agiler Transformationslösungen in einer komplexen Welt kehren immer mehr Unternehmen aller Größen und Branchen von dem traditionellen Konzept Management by Objectives (MBO) ab und führen OKRs in ihrem Unternehmen ein. Einerseits wird OKR dabei oft als eine Verbesserung und Modernisierung des Zielmanagements kommuniziert. Andererseits sehen viele Mitarbeitende OKRs lediglich als Fortsetzung von MBO in einem neuen begrifflichen Gewand. Der folgende Artikel grenzt beide Methoden voneinander ab und erklärt, wie der Wechsel von MBO auf das zeitgemäßere OKR funktionieren kann.
MBO ist eine Abkürzung für “Management by Objectives”, was sich auf Deutsch am besten als „Führung durch Zielvereinbarungen“ übersetzen lässt. Das Konzept wurde in den 50er-Jahren von Peter Drucker eingeführt, der als Pionier der modernen Managementlehre gilt. Die Grundidee von MBO ist die Ausrichtung der Tätigkeiten aller Einheiten eines Unternehmens an festgelegten Zielen. Der Weg zur Zielerreichung ist den Mitarbeitenden dabei freigestellt und ihre Leistung wird anhand von Resultaten gemessen. Um die Tätigkeiten aller Mitarbeitenden, Teams und Abteilungen innerhalb des Unternehmens aufeinander abzustimmen, werden Ziele von oben nach unten kaskadiert. Das heißt, Ziele werden zuerst auf Unternehmensebene festgelegt, und darauf basierend schrittweise für die unteren Ebenen bis hin zur kleinsten Einheit des Unternehmens, den Mitarbeitenden, definiert.
Auch OKRs gibt es schon seit Jahrzehnten. Das Konzept wurde von Andrew Grove, dem ehemaligen CEO von Intel, in den frühen 1980er Jahren eingeführt und erregte die Aufmerksamkeit des frühen Google-Investors John Doerr. Doerr griff den Ansatz aus seiner Zeit bei Intel auf und brachte ihn zu Google, das heute sehr bekannt für seine Arbeit mit der OKR Methode ist. Der Begriff OKRs setzt sich aus den beiden Bestandteilen “Objectives” und “Key Results” zusammen und bezeichnet eine Methode für die Entwicklung und das Management von Zielen. Für einen vorgegebenen Zeitraum, meist ein Quartal, werden mehrere Ziele (Objectives) festgelegt. Diese Ziele werden in jeweils 2-5 kleinere Schlüsselergebnisse (Key Results) untergliedert. Während die übergeordneten Ziele qualitativ und anspruchsvoll definiert werden, gewährleisten die zugehörigen Key Results vor allem Messbarkeit. OKRs können auf allen Ebenen der Organisation definiert werden: für das ganze Unternehmen, eine Abteilung oder einzelne Mitarbeitende.
Eine ausführlichere Erklärung zu OKRs findest Du in unserem Artikel "Objectives und Key Results (OKR) - eine Definition"
Natürlich haben MBO und OKR einige Gemeinsamkeiten, denn OKR hat sich aus MBO entwickelt, indem es im Wesentlichen einige der besten Teile von MBO herausgegriffen und darauf aufgebaut hat. So strukturieren beide Frameworks die Arbeit anhand von Zielen und setzen auf allen Ebenen des Unternehmens an. Sie bieten ebenso einen Rahmen für Kommunikation von Zielen sowie für die Messung der Leistung mit Mitarbeitenden. Beide helfen Unternehmen bei der Strategieumsetzung, das heißt dabei, dass alle an einem Strang ziehen und gemeinsam auf die gleichen Ziele hinzuarbeiten. So können Verantwortlichkeit und Transparenz in der Organisation gefördert und letztlich die Gesamtstrategie des Unternehmens unterstützt werden.
Trotz aller Gemeinsamkeiten unterscheiden sich OKRs erheblich von MBO. Während die Ziele bei MBO quantitativ und oft als KPIs formuliert sind, bestehen OKRs aus qualitativen Objectives, die durch Key Results in quantitative Schlüsselergebnisse gegliedert werden.
Durch die detaillierte Strukturierung des Ziels und die Festlegung qualitativer Ziele betonen OKRs den Prozess der Zielerreichung, während für MBO das Resultat im Vordergrund steht. Dieser fundamentale Unterschied zwischen MBO und OKRs geht weit über die reine Zielsetzungstechnik hinaus und wirkt sich auf alle Ebenen eines Unternehmens aus.
1. Leadership – Management vs. Coaching
Bei MBO werden die Ziele einmal für eine Periode festgelegt und dann von oben nach unten kaskadiert. Während der Periode wird darauf geachtet, dass die Mitarbeitenden im Sinne des Ziels agieren. Am Ende der Periode wird der Grad der Zielerreichung gemessen. Damit entspricht MBO der klassischen Managementphilosophie von Planung, Steuerung und Kontrolle. Bei OKRs steht der Weg zum Ziel wesentlich stärker im Vordergrund. Während des so genannten OKR Zyklus wird in meist wöchentlichen Meetings der Stand der Zielerreichung diskutiert und Feedback zur Leistung der Mitarbeitenden gegeben. Am Ende eines Zyklus wird in Retrospektiven und Reviews analysiert, ob die Ziele inhaltlich und auf formeller Ebene richtig festgelegt wurden. Die Erkenntnisse daraus werden dann in den nächsten OKR Cycle aufgenommen. Dadurch setzen OKRs einen wesentlich stärkeren Fokus auf Mitarbeiterentwicklung anstatt auf Resultate.
2. Koordination – Top-Down vs. Top-Down & Bottom-Up
Nicht nur der Prozess der Zielerreichung, sondern auch die Festlegung der Ziele ist bei OKRs und MBO unterschiedlich. Die Ziele des Unternehmens werden bei MBO von der Führungsebene des Unternehmens festgelegt. Basierend auf den übergeordneten Zielen werden dann den Abteilungen, Teams und Mitarbeitenden ihre Ziele vorgegeben. Die Festlegung der Ziele läuft damit von oben nach unten (Top-Down). Auch bei OKRs werden auf Führungsebene Ziele für das gesamte Unternehmen festgelegt, an denen sich die Ziele der Abteilungen, Teams und Mitarbeitenden ausrichten. Allerdings entwickeln die Mitarbeitenden auf jeder Ebene auch aktiv ihre Ziele selbst und gestalten so die Ziele ihres Teams, ihrer Abteilungen und des Unternehmens mit. Dadurch findet sowohl eine Zielsetzung von oben nach unten (Top-Down), als auch von unten nach oben (Bottom-Up) statt.
3. Zusammenarbeit – Spezialisierung vs. Abstimmung
Die Unterschiede zwischen MBO und OKRs im Ziel- und Performancemanagement wirken sich auch auf die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und Abteilungen aus. Die strukturierte und klare Zielvorgabe für einen längeren Zeitraum, wie sie bei MBO praktiziert wird, gibt den meisten Mitarbeitenden ein klar umrissenes und abgestecktes Aufgabenfeld vor. Dadurch können sich die Mitarbeitenden auf ihre Aufgaben konzentrieren und haben einen vergleichsweise geringen Abstimmungsbedarf. Bei OKRs wird die Zielsetzung konstant weiterentwickelt und diskutiert. Durch die Definition qualitativer, ambitionierter Ziele werden zudem oft Überschneidungen in den Tätigkeitsfeldern von Mitarbeitenden und Teams deutlich. Dadurch stimmen diese sich in ihrer Arbeitsweise stärker untereinander ab, können Synergien nutzen und doppelte Arbeit vermeiden.
4. Zielhorizont – Konstanz vs. Agilität
Bei MBO werden Ziele meist einmal jährlich festgelegt und gemessen. Das erlaubt es den Mitarbeitenden über einen längeren Zeitraum hinweg, an klar vorgegebenen Zielen zu arbeiten und ermöglicht Konstanz in den Arbeitsabläufen. Ein OKR Zyklus dauert hingegen meist nur ein Quartal. Zusätzlich besprechen und aktualisieren Teams den Zwischenstatus der Ziele wöchentlich. Dadurch können Teams und Mitarbeitende sehr schnell auf sich ändernde Umstände und unerwartete Ereignisse reagieren.
5. Risikobereitschaft – Risikominimierung bs. Ehrgeiz
Einhergehend mit der Konstanz sind MBOs eher risikoscheu, während OKRs durch ihre Agilität eher als ehrgeizig beschrieben werden können. So wird bei MBOs eine 100-%ige Zielerreichung angestrebt, während bei OKRs ambitionierte Ziele gesetzt werden, die selten zu 100 % erreicht werden können. Hier wird Scheitern als Teil des Prozesses gesehen. Da MBOs die Zielerfüllung an die Vergütung knüpfen, gehen die Mitarbeitenden weniger Risiken ein. Im Gegensatz dazu sind OKRs nicht an eine Vergütung gebunden, da ein gewisses Scheitern erwartet wird. So wird Innovation begünstigt.
6. Motivation und Anreizsetzung – Extrinsisch vs. intrinsisch
Wie bereits erläutert, betonen OKRs vor allem den Prozess der Zielerreichung und damit die Tätigkeit an sich während MBO das Resultat in den Vordergrund stellt. Dies wirkt sich auch auf die Motivation der Mitarbeitenden aus. MBO arbeitet stark mit extrinsischer Motivation und Anreizsetzung. Das heißt, dass an eine bestimmte Aktivität bzw. genauer gesagt deren Resultat eine Belohnung, beispielsweise ein Bonus, geknüpft wird. Unternehmen mit OKRs arbeiten klassischerweise weniger mit Belohnungen. Der Grund hierfür ist, dass OKRs Mitarbeitende vor allem ambitionierter und experimentierfreudiger machen sollen. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn die Wertschätzung der Mitarbeitenden nicht vom Resultat abhängt, sondern von ihrer Herangehensweise an Ziele.
7. Kommunikation – Kontrolle vs. Transparenz
Das unterschiedliche Konzept von OKRs und MBO hinsichtlich Anreizsetzung und OKRs wirkt sich auch auf die Kommunikation innerhalb des Unternehmens aus. Die Zielsetzung von MBO ist vor allem daran ausgerichtet, sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden im Sinne der ihnen übergeordneten Ziele arbeiten. Das erfolgt durch die Messung und Kontrolle der Zielerreichung, wobei meistens nur die Mitarbeitenden selbst und ihre Vorgesetzten Einsicht in die Zielerreichung nehmen können. OKRs hingegen versuchen allen Mitarbeitenden Einsicht in die aktuellen Ziele und den Stand der anderen Teammitglieder zu gewährleisten, um eine effiziente Zusammenarbeit anzuregen. Dementsprechend wird Feedback auch im laufenden Rahmen, beispielsweise innerhalb von wöchentlichen Besprechungen oder noch engmaschiger, gegeben.
In der heutigen dynamischen Zeit sind OKRs effektiver als MBO, um auf Marktveränderungen reagieren zu können. Eine Umstellung erfordert aus Managementsicht weniger operative Eingriffe, dafür vor allem ein Umdenken und Loslassen. Anstatt Ziele granular für alle Mitarbeitenden festzulegen und durch die Organisation zu kaskadieren, reicht es, nur die Unternehmensziele zu bestimmen und die Mitarbeitenden ihre eigenen Ziele festlegen zu lassen, die darauf einzahlen.
Die wichtigsten Vorteile von OKR im Überblick:
OKR fördert Fokus und Disziplin
Die wichtigsten Ziele werden herausgearbeitet und klar für jeden kommuniziert. Dabei werden Indikatoren eingeführt, die den Fortschritt der Zielerreichung sichtbar und messbar machen.
→ Die Teams und ihre Mitglieder kennen die Ziele, die das Unternehmen verfolgt, wie die Strategie aussieht und was von ihnen erwartet wird.
Abstimmung und Koordination (Alignment) mit der OKR Methode
Eine Abstimmung aller Teams und Individuen zu Beginn des Quartals sorgt für einen sinnvollen Einsatz von Ressourcen und steigert die Effizienz.
→ Das Unternehmen ist in Bezug auf ihre Strategien und Ziele aligned. Die Teams arbeiten koordiniert und abgestimmt mit anderen Teams.
Motivation und Mitarbeitereinsatz
Jeder im Team sieht und weiß, wie an gemeinsamen Zielen gearbeitet wird. Jedes Individuum kann angemessen bei der Planung von Zielen mit einbezogen werden, was Motivation und Einsatz zusätzlich stärkt.
→ Der oder die Einzelne weiß, welchen Beitrag er zum Erreichen der Team- oder Unternehmensziele leistet, und der Zweck seiner Arbeit wird ihm klar vermittelt.
→ Der Beitrag der Mitarbeitenden ist messbar und wird daher entsprechend gewürdigt.
Sinnvolle Transparenz
OKR machen Erfolge sichtbar und ermöglichen so die Anerkennung von Erfolgen. Außerdem ist es einfacher, aus bisheriger Leistung zu lernen und sich weiterzuentwickeln, wenn Ziele und Fortschritt klar dokumentiert wurden. Auf sinnvolle Grenzen der Transparenz soll anschließend eingegangen werden.
→ Die Beiträge der einzelnen Teams werden kommuniziert und transparent gemacht (z.B. woran "diese Leute von Team X" arbeiten und ob es für Ihr Team relevant ist).
Die Herausforderung besteht vor allem darin, die Rolle als Führungskraft neu zu interpretieren und verstärkt eine begleitende Rolle als Coach einzunehmen. Dazu gehört auch, die Initiativen, die auf die Ziele einzahlen sollen, von den involvierten Teams entwickeln zu lassen.
Auch eine neue Fehlerkultur sowie ein neues Erfolgsverständnis gehören zur erfolgreichen Implementierung von OKRs. Ziele, die nicht erreicht wurden, sollten nicht als Versagen, sondern Teil des Lernprozess verstanden werden.
Auch auf operativer Ebene ist bei der Umstellung ein Umdenken nötig. Während MBO das Arbeiten in Silos begünstigt, forcieren OKRs übergreifende Kollaboration. Initiativen erfordern daher einen hohen Grad an Austausch und sind auf kürzere Zeiträume ausgelegt, um schnelle Erkenntnisse zu gewinnen und umzusetzen. Mitarbeitende stehen durch die Selbstorganisation stärker in die Verantwortung, Initiativen zu entwickeln und voranzutreiben. Auch auf dieser Ebene ist ein Umdenken in der Fehlerkultur nötig und Mitarbeitende müssen sich selbst gestatten, nicht erreichte Ziele weniger als Versagen zu betrachten, sondern als Teil des Lernprozesses.
Die Gegenüberstellung von MBO und OKR macht deutlich, dass sich die beiden Ansätze nicht nur auf technischer Ebene unterscheiden. Sie vertreten teils auch eine andere Unternehmensphilosophie. MBO gewährleisten Struktur, Konstanz und Kontrolle in den Abläufen des Unternehmens während OKRs vor allem Flexibilität, Kreativität und Zusammenarbeit in Unternehmen fördern, deren Wichtigkeit durch die Digitalisierung für viele Unternehmen zunimmt. Daraus folgend lässt sich auch die Hinwendung vieler Organisationen zu OKRs erklären.
Was ist MBO?
MBO ist eine Abkürzung für “Management by Objectives”, was sich auf Deutsch am besten als „Führung durch Zielvereinbarungen“ übersetzen lässt. Die Grundidee von MBO ist die Ausrichtung der Tätigkeiten aller Einheiten eines Unternehmens an festgelegten Zielen.
Was ist OKR?
Der Begriff OKRs setzt sich aus den beiden Bestandteilen “Objectives” und “Key Results” zusammen und bezeichnet eine modernere Methode für die Entwicklung und das Management von Zielen.
Was ist eine Alternative für MBO?
In der heutigen dynamischen Zeit sind OKRs effektiver als MBO, um auf Marktveränderungen reagieren zu können. Eine Umstellung erfordert aus Managementsicht weniger operative Eingriffe, dafür vor allem ein Umdenken und Loslassen.
Sind OKRs nützlich?
OKR ist ein agiles Führungs- und Zielmanagementframework. OKR nutzt Unternehmen, Strategien schneller und effektiver umzusetzen, indem es messbare Ziele vorgibt, Transparenz, Alignment und Engagement der Mitarbeitenden verbessert.
Inwiefern ist OKR besser als MBO?
Während MBO das Arbeiten in Silos begünstigt, forcieren OKRs übergreifende Kollaboration. Initiativen erfordern daher einen hohen Grad an Austausch und sind auf kürzere Zeiträume ausgelegt, um schnelle Erkenntnisse zu gewinnen und umzusetzen. Mitarbeitender stehen durch die Selbstorganisation stärker in die Verantwortung, Initiativen zu entwickeln und voranzutreiben.
Was ist das Ziel von MBO?
Das Ziel von MBO ist die Ergebnisorientierung. Die Grundidee ist dabei die Ausrichtung der Tätigkeiten aller Einheiten eines Unternehmens an festgelegten Zielen. Der Weg zur Zielerreichung ist den Mitarbeitenden dabei freigestellt und ihre Leistung wird anhand von Resultaten gemessen.
Wer hat MBO erfunden?
Das Konzept “Management by Objectives” (MBO) wurde in den 50er-Jahren von Peter Drucker eingeführt, der als Pionier der modernen Managementlehre gilt.