Gute OKRs zu formulieren kann herausfordernd sein, nicht nur in den ersten Zyklen. Qualität und Mehrwert des Frameworks können jedoch nur garantiert werden, wenn Teams den Drafting-Prozess jedes Mal aufs Neue sorgfältig durchführen. Deshalb erklären wir dir in diesem Artikel wie du professionelle OKRs formulierst.
OKR Experte Felipe Castro unterstützt Unternehmen bei der Implementierung von OKR und hilft, das Verständnis und den Umgang mit agilen Zielmanagementsystemen in Organisationen zu transformieren. Mit jeder neuen Einführung erlebt er den positiven Einfluss dieser Transformationen, erzählte er uns im Juni 2020 in einem Gastbeitrag. Funktionale Silos werden durch besser abgestimmte Teams ersetzt, statische Jahresziele verwandeln sich in adaptive und regelmäßig reflektierte Teilziele. Gleichzeitig bringen OKRs engagierte und motivierte Mitarbeitende hervor, die den Sinn und Zweck ihrer Arbeit verstehen. Relevanten Geschäftskennzahlen anderer Abteilungen und des Unternehmens im richtigen Kontext zu sehen und zu verstehen, führt zu einer besseren Zusammenarbeit.
Durch Castros Begleitung unzähliger Unternehmen hat er schon früh die Muster erkannt, welche wiederholt zum Scheitern von OKRs führen. Diese Anti-Pattern erscheinen zunächst vorteilhaft. Resultieren jedoch schnell in negativen Konsequenzen. Sie lassen sich in drei Kernbereiche untergliedern:
- Schlechte Formulierung von OKRs. Häufig werden OKRs wie eine Liste von To-Dos behandelt, die in einer übermäßigen Anzahl von Key Results resultiert und nur schlecht umsetzbar ist. Dem Team fehlen konkrete Anhaltspunkte die Ziele zu erfüllen.
- Erstellen von Silo-OKRs. Teams, die ihre OKRs ohne Absprache mit anderen Teams entwickeln, produzieren häufig kollidierende Ziele sowie schlechtere Ergebnisse.
- “Ziele setzen und vergessen”. OKRs wie Neujahrsvorsätze zu behandeln, wird zum selben Ergebnis führen: eine Liste verdrängter und nicht erreichter Ziele.
Der “Set, Align, Achieve”-Zyklus
Für eine erfolgreiche Anwendung von OKRs ist es wichtig, den Fokus auf jene Herausforderungen zu richten, die es bei der Implementierung des Systems zu beachten gilt. Vor diesem Hintergrund hat Felipe Castro eine Methode entwickelt, die als Guideline für die erfolgreiche Einführung von OKRs dienen kann. Der “Set, Align, Achieve”-Zyklus:
Dieser Zyklus basiert auf zwei wesentlichen Annahmen:
- Um erfolgreich mit Zielen zu arbeiten, ist über die reine Formulierung hinaus erforderlich, diese mit Unternehmenszielen und den Zielen anderer Teams abzustimmen und gegebenenfalls anzupassen. Anschließend sollte systematisch auf deren Erreichung hingearbeitet werden. Aus diesem Grunde ist es wichtig, die Kommunikation, die dabei stattfindet, zu überdenken. Menschen reden über Zielsetzungen als wären Ziele alles, was es notwendigerweise zum Erfolg bedarf. Selbst die anerkanntesten Forscher dieses Bereiches, Edwin Locke und Gary Latham, nannten ihre Forschungsarbeit schlicht: “die Zielsetzungstheorie”.
- Ein starrer, linearer Ansatz kann in einem komplexen und dynamischen Umfeld unmöglich zum Erfolg von OKR führen. Die Fähigkeit zur Anpassung und Weiterentwicklung (basierend auf den eigenen Lernerfahrungen) ist die wichtigste Voraussetzung, um mit den Unsicherheiten und Herausforderungen heutiger Märkte umgehen zu können. Daher handelt es sich auch um einen iterativen Ansatz, der Flexibilität gewährleisten soll.
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte dieser Methode näher erläutert:
Ziele setzen (Set)
Effektive OKRs von hoher Qualität zu definieren ist der wesentliche erste Schritt. Agile Ziele sollten folgenden Kriterien entsprechen:
- Nützlich: OKRs sollten einen klaren Mehrwert für einen Kunden schaffen. Und nicht eine bloße Liste von To-Dos widerspiegeln. Der Fokus sollte daher auf kunden- und wertorientierten Key Results mit klarem Output liegen.
- Ansprechend und Motivierend: Der Prozess der OKR-Formulierung sollte die Kreativität und die individuelle Perspektiven der Mitarbeiter adressieren. Die Ziele selbst sollten inspirierend, aktivierend und nicht gleichgültig sein.
- Umsetzbar: Das Team sollte die zugrundeliegenden, beeinflussbaren Metriken verstehen und die Beziehungen zwischen den einzelnen Zielen kennen. Ein Team, das nicht versteht wie ein Key Result umgesetzt werden kann, wird nicht erfolgreich sein.
Weitere konkrete Qualitätskriterien für Objectives und Key Results findest du weiter unten in diesem Artikel.
Koordination der Ziele (Align)
Der traditionelle Ansatz, Ziele zu kaskadieren, setzt auf die vertikale Koordination. Alle Mitarbeitenden gleichen ihre Ziele einfach mit den Vorgesetzten ab. Dieses starr hierarchische Modell neigt jedoch dazu, Silos zu begünstigen. Das rührt daher, da Teams nicht mehr miteinander kommunizieren und die horizontale Abstimmung oftmals vernachlässigt wird.
Teamübergreifender Abgleich von Zielen passiert jedoch nicht einfach so. Es bedarf eines strukturierten Ansatzes der neben der vertikalen Kommunikation mit Vorgesetzten eine horizontale Kommunikation zwischen Kollegen sicherstellt. Dies wird im zweiten Schritt “Koordination” adressiert. Nach dem ersten Entwurf der OKR Sets sollte jedes Team folgende Punkte berücksichtigen:
- Identifikation von Interdependenzen
- Entwicklung gemeinsamer OKRs
- Sicherstellung von vertikalem und horizontalem Zielabgleich
Während dieses Abgleichprozesses sollte jedes Team die vorgeschlagenen OKRs mit seinem Vorgesetzten besprechen. Hierbei kann der oder die Vorgesetzte die Rolle eines moderierenden Coaches einnehmen und das Team bei der Optimierung ihrer OKRs zu ermutigen und zu unterstützen.
Es ist außerdem wichtig, OKRs in Folge dieses Abgleichs erneut zu überprüfen, da sich oft neue Ideen als auch Einsichten in die Dynamik und Wirkung der Ziele und ihrer Abhängigkeiten ergeben.
Aus diesem Grund ist ein iterativer Prozess zwischen Zielsetzung und Zielabgleich entscheidend:
Zielerreichung (Achieve)
Ziele und Zielvereinbarungen sind oftmals kein Teil des organisationalen Alltags. Menschen nehmen sie häufig als eine Verpflichtung wahr, die es zusätzlich zur eigentlichen Arbeit zu erledigen gilt. Erfolgreiche Teams begreifen dies jedoch anders. Sie nehmen OKRs als wesentlichen Teil ihrer Arbeit wahr. Dadurch werden OKRs ein essentieller Bestandteil ihres Arbeits- und Organisationsmodells.
Damit dies gelingen kann sollten Teams nach der Zielsetzung und dessen Abgleich daran arbeiten dieses auch zu erreichen. Dafür ist es wichtig, diese kontinuierlich zu besprechen und Fortschritt daran zu aktualisieren.
Der Kern dieses Prozesses sind die sogenannten OKR Check-ins. Wöchentliche Meetings, in denen OKRs aktualisiert, abgeglichen und die wöchentlichen Aufgaben danach priorisiert und eingeplant werden. Dadurch werden strategische Ziele, OKRs, operationalisiert und so mit der tatsächlichen Arbeit des Teams verbunden. Diese Check-ins in den eigenen Prozess mit aufzunehmen ist daher eine essentielle Voraussetzung, um mit OKRs erfolgreich zu sein. Ziel sollte es sein, nicht noch mehr Meetings zu etablieren, sondern bestehende Formate effizienter, datengetriebener und ergebnisorientierter zu gestalten. Mit einem Fokus auf Wertschöpfung und Kundenwert, statt auf Micromanagement und Kontrolle.
1. Inspirierender Sollzustand
Das Objective ist ein erstrebenswerter Zustand in der Zukunft, ein inspirierendes Ziel. Vision oder Mission der Organisation können dafür Orientierung geben.
Das Objective sollte zwar ambitioniert, aber innerhalb eines OKR Zyklus erreichbar sein. Dafür kannst du das Objective kürzen oder in mehrere Phasen aufteilen.
Überambitionierte Ziele, sogenannte “Stretch oder Moonshot Goals”, sollten Teams auch als solche kennzeichnen. Das hat große Auswirkung auf die Erwartungshaltung. Es ist keine Schande, Stretch Goals nicht zu erreichen und sollte dementsprechend auch nicht als Misserfolg, sondern als Teil des Lernprozesses verstanden werden. Bereits 70 oder 80 % eines Stretch Goals zu erreichen, ist ein großer Erfolg.
2. Qualitativ
Ein Objective ist qualitativ, nicht messbar und orientiert sich an dem angestrebten Wert (Outcome), nicht dem Output. Im Zentrum steht also die Frage: Warum sollte ein Ziel erreicht werden?
Es klingt verlockend, bereits festzuhalten, wie das Ziel erreicht werden kann. Allerdings sollte ein Objective keine derartigen Anweisungen oder Metriken enthalten, weil das den involvierten Teams die Freiheit nimmt, eigene Lösungen zu entwickeln und ihre Autonomie und Kreativität einschränkt.
3. Präzise und verständlich
Ein Objective sollte nicht überladen oder missverständlich, sondern so kurz wie möglich sein. Die Formulierung sollte ausschließlich Begriffe enthalten, die allen Stakeholdern vertraut sind und innerhalb eurer Organisation synonym verwendet werden. Ein gutes Objective ist konkret, deshalb wäre es zu vage formuliert, etwas zu “verbessern” oder zu “optimieren”.
Jeder Stakeholder sollte das Objective ohne Erklärung verstehen können, um eines der Kernprinzipien von OKR sicherzustellen: Transparenz.
Um einen einfachen Satz zu formulieren, hilft es, das Objective in seine einzelnen Bestandteile (Kunde, Sollzustand, Nutzen) herunterzubrechen.
Nicht nur die Formulierung des Objectives sollte kompakt und fokussiert sein, sondern auch die Anzahl aller Objectives. Das garantiert mehr Fokus während des Zyklus. In der Praxis hat es sich bewährt, mit maximal drei Objectives pro Organisationseinheit zu arbeiten.
1. Direkter Bezug zum Objective
Key Results haben einen direkten Einfluss auf das Objective. Sie decken jedes Versprechen im Objective ab. Dafür empfiehlt es sich, zwei bis fünf Key Results zu definieren. Sollte das nicht ausreichen, kann das Objective erneut gekürzt werden.
Die Key Results sollten so unabhängig voneinander wie möglich sein, damit das Scheitern in einem Key Result die anderen gar nicht oder nur sehr gering beeinträchtigt.
2. Steuerbare Lead Metriken
Key Results sind idealerweise Lead Metriken. Sie sind direkt beeinflussbar und zeigen einen Fortschritt an. Dadurch stellen sie eine gute Ergänzung zu KPIs dar. Um den Fortschritt bestmöglich abzubilden, formuliere deine Key Results als messbare Metriken wie Prozentsätze oder Geldwerte.
Möchtest du mehr darüber erfahren, wie du OKR als Ergänzung zu KPIs nutzen kannst? Hier geht's zu unserem Artikel "Wie sich OKR und KPI kombinieren lassen".
Manche Objectives lassen sich aufgrund ihres Wesens oder Reifegrades nicht mit Metriken messen. Es kann auch vorkommen, dass Teams schlichtweg die Möglichkeiten fehlen, ihren geschaffenen Wert zu messen. In beiden Fällen empfiehlt es sich, Key Results als Meilensteine zu formulieren. Meilensteine bauen aufeinander auf und sind daher nicht unabhängig voneinander. Dennoch zeigen sie den Fortschritt besser an als binäre Key Results, welche lediglich Auskunft darüber geben, ob ein Ziel erreicht wurde oder nicht.
3. Ergebnisse, keine Aufgaben
Key Results sind keine To-Do-Listen. OKRs sollen die Strategie vorantreiben und nicht die tägliche operative Arbeit strukturieren. Letztendlich wollen Organisationen ihre Ergebnisse und Wirkung sichtbar machen, nicht den Aufwand, der dahinter steht. Das Objective gibt vor, wohin die Reise geht. Die Key Results zeigen an, wie weit das Ziel noch entfernt ist. Eine Initiative gibt Auskunft darüber, was getan werden muss, um diesem Ziel näher zu kommen.
Das Schreiben von 10 Magazin-Artikeln ist beispielsweise eine Initiative, kein Key Result. Es ist eine konkrete Arbeit an etwas. 1000 Ansichten eines Artikels zu erreichen, ist ein Key Result. Es gibt keine konkrete Aufgabe vor, ist aber dennoch beeinflussbar. Es zeigt an, ob durch die Initiativen das gewünschte Ergebnis erreicht wurde.
Die Anwendung der S.M.A.R.T. Goal-Regel kann ein guter Kontrollmechanismus für Key Results sein.
Suchst du nach weiteren Beispielen für OKRs? In diesem Artikel findest du gute OKRs für Marketing, Vertrieb, Produkt, Technik oder Human Resources – entdecke hier Best Practices für verschiedene Funktionen um das Beste aus deinem OKR-Entwurf herauszuholen!
Einer der größten Fehler, die Teams machen, wenn sie OKRs formulieren, ist, dass sie in Output statt Outcome denken. Was bedeutet das? Output ist die Beschreibung für das Ergebnis einer Aktivität. Anhand des Outputs lässt sich jedoch noch nicht erkennen, welchen Mehrwert die Nutzer bzw. Kunden erfahren werden. Das Outcome hingegen ist der tatsächliche Mehrwert, der durch den Output für die Zielgruppe geschaffen wird.
Dreht sich die gesamte Arbeit des Teams ausschließlich um den Output, ist für alle Mitarbeitenden weder das Big Picture des Unternehmens noch der Impact jedes Einzelnen auf das oberste Ziel erkennbar. Auf diese Weise geht wertvolles Potenzial verloren, da den Mitarbeitenden stets gesagt wird, was sie zu tun haben, anstatt ihnen lediglich die Ziele vorzugeben und sie den Weg dorthin selbst beschreiten zu lassen.
Weitere Fehler werden oft bei der Formulierung der Objectives and Key Results gemacht.
Objectives sollten nicht …
… einfach eine “schöne Überschrift” für die Key Results sein
… messbare Metriken wie z. B. Umsatz enthalten
… zeitlose Metriken wie z. B. “Kundenzufriedenheit steigern” enthalten, die generell immer auf der Agenda stehen könnten (und nicht besonders im nächsten OKR Zyklus)
Key Results sollte nicht …
… als konkrete Tasks oder Initiativen formuliert werden
… mehr als eine Metrik beinhalten
… zu häufig binär sein (geschafft / nicht geschafft)
… nicht (also sie sollten! ;-)) die S.M.A.R.T. Goal-Regel berücksichtigen
- Unser OKR Drafting Exercise Book hilft dir dabei, ein echter OKR Drafting Experte zu werden und Outcome- statt Outputorientierte Ziele zu formulieren
- Das Team OKR Drafting Canvas hilft dir Schritt für Schritt dabei, Input für deine OKRs zu sammeln, sowie Objectives und Key Results zu formulieren
- Du planst OKRs in einem dezentralisierten Team und möchtest das Drafting virtuell gestalten? Diese Miro Board Templates helfen dir dabei!
- Irgendwie fehlt die Struktur? Hilf deinem Team mit dieser Checkliste, die Qualität ihrer OKRs zu verbessern.
- Tiefgreifende Informationen zum OKR Drafting findest du auch in der Workpath OKR Toolbox – hier gibt es alles von der Theorie bis zu praktischen Beispielen
OKR ist kein Allheilmittel. Wie jedes andere Tool auch, kann es falsch angewendet werden und es gibt kein Patentrezept für eine erfolgreiche Umsetzung. Wie man OKRs am erfolgversprechendsten entwickelt, formuliert und verwendet, hängt maßgeblich vom Kontext, den Merkmalen der Organisation, ab.
Zum Kontext passende, klare und transparente OKRs werden die Gesamtleistung der Organisation steigern. Es ist also nicht ratsam mit OKR Beispielen aus dem Internet oder vergangenen OKR Zyklen zu arbeiten. Ebenso wenig Sinn macht es, die oben genannten Qualitätskriterien blind auf die eigenen OKRs anzuwenden. Stattdessen ermutigen wir dich dazu, jede Drafting Session als Übungsfeld zu verstehen und die bestmögliche Qualität eurer OKRs anzustreben. Schlussendlich bleibt immer Raum für Verbesserung.
Wie formuliert man OKRs?
Bei der Formulierung der Objectives, ist es wichtig, die grundlegenden Eigenschaften dieser einzuhalten: Sie sollten qualitativ, die Zielerreichung ehrgeizig, direktional und im Zeitrahmen erreichbar sein. Bei der Formulierung der Key Results hingegen ist es wichtig, dass diese messbar, spezifisch, relevant für das zugehörige Objective und prozessorientiert sind.
Was sind gute OKRs?
Gute OKRs sollten zum Kontext passen, sowie klar und transparent formuliert werden. Außerdem sollten Team OKRs untereinander aligned werden, sodass eine Silo-Bildung vermieten wird. Nur so können sie die Gesamtleistung der Organisation steigern.
Wie viele OKRs?
Pro Team und OKR Zyklus sollten nicht mehr als fünf Objectives formuliert werden. Key Results haben einen direkten Einfluss auf das Objective. Sie decken jedes Versprechen im Objective ab. Dafür empfiehlt es sich, zwei bis fünf Key Results zu definieren. Sollte das nicht ausreichen, kann das Objective erneut gekürzt werden.